Die ganze Welt schaut in diesen ersten Tagen des neuen Jahres nach Rom: Der Tod des emeritierten Papstes, die Aufbahrung seines Leichnams und das Begräbnis am Donnerstag beherrschen die mediale Berichterstattung. Es ist bemerkenswert, dass der Tod eines in den letzten Jahren zurückgezogen lebenden 95jährigen so viel Beachtung erfährt – und doch nachvollziehbar.
Viele Nachrufe und Beiträge von kompetenten Menschen wurden veröffentlicht. Ich werde nicht den Versuch einer umfassenden Würdigung des Lebenswerks von Benedikt XVI. wagen, möchte aber einige persönliche Erinnerungen festhalten:
Die erste Erinnerung kenne ich nur aus Erzählungen meines Vaters: Er hat in Bonn eine Studentengruppe geleitet, die auch immer wieder Professoren der Universität als Referenten zu Gesprächen eingeladen hat. Unter anderem auch den jungen Professor Ratzinger, der damals als „shooting star“ und „junger Wilder“ der Theologie galt. Damals war er mehrfach zu Gast und hat sich bereitwillig den Fragen und Diskussionen gestellt. Diese Bekanntschaft führte in späteren Zeiten zu mehreren Begegnungen: Mein Vater hat häufig Gruppenreisen, etwa meiner Heimatpfarre, nach Rom organisiert. Hier war jedes Mal ein Gespräch in der Kongregation für die Glaubenslehre dabei, die der Präfekt immer persönlich wahrnahm.
Eine letzte kurze Begegnung, bei der ich auch dabei war, gab es im Mai 2008 bei einer Audienz am Petersplatz. Papst Benedikt erhielt als Geschenk einen Bildband über Bonn und zeigte sich sehr erfreut: „Bonn – das waren schöne Jahre …“ – allerdings fragte er mich auch: „Was macht ein Rheinländer in Wien?“. Ich verbiss mir die Gegenfrage: „Was macht ein Bayer in Rom …“
Einige Jahre davor war ich kurz vor meiner Diakonenweihe im Frühjahr 2001 mit dem Wiener Priesterseminar in Rom und wir besuchten ebenfalls die Glaubenskongregation. Kardinal Schönborn erwähnte im Gespräch, dass ich in den Endzügen meiner Dissertation zum Thema „Medienethik“ stünde. Kardinal Ratzinger zeigte sich sehr interessiert und meinte: „Die Arbeit würde ich gern einmal lesen“. Ich konnte mich nicht zurückhalten und antwortete: „Eminenz, ich hoffe, dass der Präfekt der Glaubenskongregation meine Arbeit nicht lesen muss“, worauf er lachend antwortete: „Nein, nein, nicht dienstlich – nur privat“.
Schließlich erlebte ich Papst Benedikt aus der Ferne bei drei Weltjugendtagen und seinem Besuch 2007 in Österreich. Hier überraschte er viele damit, dass er entgegen seiner sonst sehr bescheidenen, fast schüchternen Art es vermochte, die Jugendlichen zu begeistern und mitzureißen.
Zuletzt noch eine Lese-Empfehlung: Neben der „Einführung in das Christentum“ lohnt es sich jedenfalls auch, die Enzykliken aus dem achtjährigen Pontifikat Benedikts XVI. (wieder) zu lesen. „Deus caritas est“ gehört zum Besten, was Päpste je geschrieben haben.
(Gregor Jansen, 4.1.2023)