Die beiden nachfolgenden zeitgenössischen Zeitungsartikel geben einen guten Einblick in den Ablauf des Weiheaktes:
Reichspost vom 19. Juni 1898:
An der Grenze des alten und des erweiterten Wien erhebt sich massig und doch gefällig die neue Kirche. Dort wo die Florianigasse auf die Gürtelstraße mündet, ist sie gebaut. Ihre Nachbarn rings umher sind kleine Häuschen, die letzten des alten Wien, doch die im Bau begriffenen Gebäude künden schon, dass auch für sie bald das letzte Stündlein schlagen wird. Das Wahrzeichen des modernsten Wien, die Stadtbahn, fährt auf hohen Bogen knapp vor der Hauptfassade der Kirche, jedoch so dass sie trotzdem zu voller Geltung kommt, an ihr vorüber. Vor der Kirche ist eine weite breite Straße, die Gürtelstraße, die durch den Hochbau der Stadtbahntrasse in zwei Teile geschieden ist. Hernals blickt von drüben herüber zur Josefstadt. In friedlichem Verein haben die beiden Bezirke, die zunächst durch die Errichtung der Kirche berührt sind, zu der heutigen Feier gerüstet.
Schon seit einigen Tagen stand die bevorstehende Einweihung im Mittelpunkt des Interesses in diesen Bezirken. Hunderte und Hunderte pilgerten hinaus und herein, um den schönen Rohziegelbau zu bewundern, der mit seiner glücklichen Konzeption eine bauliche Sehenswürdigkeit bildet. Namentlich fällt der geniale Übergang vom massigen Unterbau zu den schlanken Türmen auf. Eine stilvolle Säulengalerie vermittelt ihn unauffällig. Auch von der Stadtseite ist der Anblick auf Rückfront der Kirche mit dem abgerundeten Chor und den in schöner Perspektive vorne ragenden Türmen sehr gefällig. Besonders am gestrigen Vorabend herrschte auf dem weiten Platze rings um die Kirche festtägliches Leben. Man legte Hand an die Dekoration.
Von den umgebenden Häusern grüßten Fahnen, Girlanden, Wappenschilder, Festons und Tannenreisige. An den drei Durchlässen des Stadtbahnviaduktes waren die Wappen des Reiches, des Landes und der Stadt, von Fähnchen in denselben Farben umgeben, angebracht. Vier hohe Flaggenmasten umsäumten den Platz und auch von ihnen wehten Fahnen in den Reichs-, Landes- und Stadtfarben. Der Platz selbst ist von Flaggenstangen abgegrenzt. Auf ihm ersteht der Pfarrhof, dessen Bau schon ziemlich weit gediehen ist. Die Bauhütte neben der Kirche ist mit Girlanden behängt. Sie dienen als Rahmen für die Reliefmedaillons des Kaiserpaares und für den kaiserlichen Aar.
Auch die Kirche hatte sich festlich geschmückt. Hoch oben, fast beim Turmkreuz wehen zwei weiße Fahnen mit rotem Kreuz. Unterhalb der Turmhelme flattern beiderseits schwarz-gelbe, rot-weiße, blau-weiße und weiß-gelbe Fahnen. Das halbrunde Feld oberhalb des Portals ist vollständig mit Tannenreisig ausgefüllt. Und das Waldesgrün lässt Kauffungen’s plastische Gruppe im Tympanon: „Franciscus Seraphicus seine Wundermale empfangend“ in ihrem schneeigen Weiß umso wirkungsvoller hervortreten.
Die weite Straße vor der Kirche sieht wohl noch etwas wüst aus, doch hat eine schwere Steinwalze noch bis gestern Nachts den feinen Kies vor dem Portale festgestampft und der Anblick, den der Festplatz heute Morgens in seinem festtäglichen Schmucke bot, war über alle Maßen wirkungsvoll. Denn das weite Terrain gestatte diesseits und jenseits des Stadtbahnviaduktes den Anrainern eine zahlreiche Beteiligung an dieser Feier, die noch an Weihe dadurch gewann, dass sie in das Jubeljahr fällt.
Das Wetter war ein echtes und rechtes Kaiserwetter. Schon zeitlich am Morgen haben die Zeremonien der Einweihung ihren Anfang genommen. Die ersten Körperschaften, die anrückten, waren die freiwilligen Feuerwehren der neuen Bezirke, die Veteranenvereine („Schwarzenberg“, „Tegetthoff“, „Erzherzog Friedrich“, „Kronprinz Rudolf“, „FZM. Phillippovich“) und die Sicherheitswache, die Spalier rings um die Kirche bildeten und die Zufahrt freihielten. Die Tegetthoff-Veteranen waren mit Fahne und Musik ausgerückt.
Bald darauf stand die Menge schon festgekeilt über den Stadtbahnviadukt hinaus und die Gürtelstraße nach beiden Seiten hin weit hinab- und hinauffüllend. Von ihren Lehrern geführt kam im Festkleide die Schuljugend.
Um 7 Uhr Früh nahm Weihbischof Schneider die Einweihung von Außen vor. Die Prozession mit den Reliquien bewegte sich sodann in das Kircheninnere, wo der Weihbischof die Einweihung fortsetzte. Der Innenraum und der Hauptaltar wurden konsekriert. Hierauf wurde die Salbung der Apostelkreuze vorgenommen. Um viertel Elf Uhr kam Kardinal Fürsterzbischof Dr. Anton Josef Gruscha vor der Kirche an. (…) Es war gegen halb Elf Uhr als von der Josefstädterstraße her brausender Hochruf erschallte und gleich darauf bog der kaiserliche Wagen um den Kirchenplatz. Mit Hüten und Tüchern wurde geschwenkt und begeistert jubelte das Publikum dem ankommenden Monarchen zu. Der Josefstädter Gesangsverein intonierte die Volkshymne, deren Klänge weithin über den Platz schallten. Der Kaiser kam in offener Hofequipage.
Neuigkeitsweltblatt vom 21. Juni 1898:
Der Monarch begab sich mit den Erzherzögen sofort in die elektrisch beleuchtete Kirche. An der Eingangspforte reichte Kardinal Dr. Gruscha das Aspergill, in langem Zuge folgten die Dignitäre und Funktionäre. Beim Hochaltar waren für den Kaiser und die Erzherzöge Kniebänke und Sessel aufgestellt. Während der Messe sang der Josefstädter Männergesangsverein unter erhebenden Orgelklängen.
Nachdem der Pontifikant den bischöflichen Segen erteilt hatte, begab sich der Kaiser mit dem Statthalter in die Sakristei, um die Vorstellung von 60 Herren entgegenzunehmen. In erster Linie wurden vorgestellt das Baukomitee (…), dann die Bezirksvorsteher (…). Jeden der Herren zog der Monarch dann in ein Gespräch.
Nach der Vorstellung kehrte der Kaiser zum Hochaltare zurück und verließ mit den Erzherzögen, geleitet vom Kardinal und der Geistlichkeit, die neugeweihte Andachtsstätte. Vorerst verabschiedete sich der Monarch vom Kardinal, dann von den Erzherzögen, sprach dann länger mit dem Ministerpräsidenten und begab sich dann zur lebhaften Überraschung der Anwesenden quer über den Kirchenplatz zu den aufgestellten Veteranenkorps (…) deren Front der Monarch abging und den Rapport von dem Kommandanten entgegennahm. (…)
Zur Kirchenpforte zurückgekehrt, trat der Monarch die Stufen hinauf zu Bürgermeister Dr. Lueger und sagte: „Schade, dass Herr Bürgermeister den Festzug absagen mussten.“ Der Bürgermeister erwiderte: „Wir hoffen, Majestät, dass nächste Woche ein schönes Wetter sein wird.“ Darauf bemerkte der Kaiser: „Das jetzige Wetter wäre am besten gewesen!“ Allseitig freundlich grüßend, bestieg der Monarch (…) die Hofequipage und fuhr unter lebhaften Hochrufen und Tücherschwenken der Anwesenden und des zahlreichen Publikums vom Festplatze in die Hofburg.